SOZIALE STADT – SOZIALER ZUSAMMENHALT

Bereits seit 1999 fördern Bund und Länder Projekte von Städten und Gemeinden, die der Aufwertung entwicklungsbedürftiger Stadtteile und Quartiere dienen. Ziel ist eine Verbesserung der Wohn- und Lebensbedingungen durch Investitionen in Grünflächen, öffentliche Einrichtungen, Freizeitangebote und mehr. Hinzu kommen Maßnahmen zur Qualifikation der Menschen im Quartier und Hilfen zur Selbsthilfe. Die Beteiligung der Bewohner:innen spielt dabei eine tragende Rolle. Für eine funktionierende Zusammenarbeit der verschiedenen Akteur:innen sorgt das Quartiersmanagement. Es fungiert als Schnittstelle und ist Ansprechpartner für alle Seiten gleichermaßen. Das Gebiet der südlichen und südwestlichen Innenstadt wurde 2002 in das Förderprogramm Soziale Stadt aufgenommen. Im Fördergebiet leben rund 4.000 Einwohner:innen auf einer Fläche von 35 ha. Durch die großflächige Zerstörung Hanaus im Jahr 1945, prägten seit den Fünfziger- und Sechzigerjahren die Nachkriegsbauten mit entsprechendem Wohnstandard lange das Stadtbild auch in der südlichen Innenstadt. Nun treffen am sanierten Platz der Wallonisch-Niederländischen Kirche alt und neu aufeinander und es zeigt sich der bereits vollzogene Wandel des Quartiers. Das Engagement der Bewohner:innen ist seit zwanzig Jahren maßgeblich für das Entstehen einer eigenen Quartiersidentität verantwortlich. Nicht zuletzt aus dieser Bürgerbeteiligung gründete sich 2014 der gemeinnützige Verein Südlichter e.V., deren ehrenamtliche Mitglieder sich der Stärkung der südlichen Innenstadt verschrieben haben. Mit den Gebieten Freigerichtviertel (seit 2014) und Hafentor (seit 2018) wurden zwei weitere, wichtige Hanauer Quartiere mit Entwicklungsbedarf in das Städtebauförderungsprogramm Soziale Stadt – Sozialer Zusammenhalt aufgenommen.

Eine Kartenansicht der Südlichen Innenstadt

1. Kanaltorplatz
2. Kinzdorftunnel
3. Krämerstraße
4. Heumarkt
5. Langstraße
6. Wallgärten
7. Wallonisch-Niederländische Kirche
8. Bücherschrank Gärtnerstraße
9. Quartiersplätze Gärtnerstraße
10. Südlichter e.V.
11. Stadtteilladen Südlicht
12. Quartiersplätze Gärtnerstraße
13. Schulhof Brüder-Grimm-Schule & Quartiersküche
14. Quartiersplatz Stresemannstr./Wallweg
15. Bürgerpark

HOLGER KREUZER

Stadtplanungsamt Stadt Hanau

Holger Kreuzer ist im Stadtplanungsamt tätig und gemeinsam mit Uta Renner aus dem Bereich Integrierte Sozialplanung für das Projekt “Südliche Innenstadt” verantwortlich. Wir haben ihn gefragt, was er persönlich mit dem Quartier verbindet.“

EIN NEUER PARK ENTSTEHT

Der Bürgerpark an der Friedrich-Ebert-Anlage

Im Jahr 2006 waren die Bürger:innen Hanaus aufgerufen, sich an einer Befragung zur Grünfläche in der Friedrich-Ebert-Anlage zu beteiligen. Schnell wurde klar: dieser Bereich wurde lediglich als Durchgang genutzt, ein längerer Aufenthalt vermieden. Die Verschmutzung des grünen Bereiches, der offensichtliche Vandalismus, Hunde ohne Leine und eine Drogenszene luden nicht dazu ein, sich niederzulassen und das Wetter zu genießen. Dies sollte sich auf Basis der Umfrageergebnisse ändern. Das mit der Planung der Umgestaltung beauftragte Frankfurter Landschaftsarchitekturbüro Dirk Schelhorn bezog die Quartiersbewohner:innen eng in seine Überlegungen ein. Um eine breite Bürgerbeteiligung zu gewährleisten, baute man Infostände in der Fußgängerzone auf und animierte Passant:innenen zum Innehalten und Mitdiskutieren bei musikalischer Untermalung. Durch die Mitwirkung dieser verschiedenen Personengruppen und die Workshops mit den Kindern der Brüder-Grimm-Schule nahmen die geplanten Maßnahmen schnell Gestalt an...

Mithilfe des Wettbewerbs “Wer wissen will, was Kinder wollen, muss Kinder fragen“, wurde zudem der Wunsch der Kleinen nach wasserspeienden Tierskulpturen, den “Sprühfiguren” deutlich.
Der Hanauer Bildhauer und Restaurator Cemal Uran wurde schließlich mit der praktischen Umsetzung der drei Wunschfiguren beauftragt. Seitdem bereichern Schnecke Mary Gary, Hund Kalle und die geflügelte Katze Engelti den neu gestalteten Quartiersplatz. Dank der gelungenen Kombination aus verschiedenen Spielmöglichkeiten und Sitzflächen ist der Aufenthalt im Bürgerpark Friedrich-Ebert-Anlage nicht mehr unangenehm, sondern zu einem Highlight für viele Familien geworden.

HIN UND WIEDER ZURÜCK

Die Geschichte des Quartiersplatzes und der Grünanlage an den Wallgärten

Angrenzend an die neu gestaltete Grünanlage im Bereich der ehemaligen Wallgärten, die die Wegeverbindung des Kinopolis am Steinheimer Tor mit der Innenstadt flankiert, befindet sich ein ganz besonderer Ort: der Quartiersplatz mit dem barocken Ziehbrunnen aus dem Jahr 1692. Seine Geschichte ist spektakulär und ohne intensive Nachforschungen und das große Engagement einiger Hanauer Bürger:innen stünde er heute nicht wieder an seinem angestammten Platz in der südlichen Innenstadt.

Wo der Brunnen all die Jahre bis 2011 stand und wie er wieder an seinen historischen Standort zurückgekommen ist, finden Sie in der Rubrik Geschichte.

Die Errichtung des Quartiersplatzes und der Grünanlage Wallgärten auf dem Gelände der früheren Pedro-Jung-Schule und der ehemaligen Hanauer Hauptfeuerwache war ein wesentlicher Beitrag zur Schaffung von wohnortnahen Grün- und Freizeitflächen im Fördergebiet. Zusammen bilden sie die Verbindung in die Innenstadt und sind nicht nur Bewohner:innen der südlichen Innenstadt einen Aufenthalt wert; schon wegen des Brunnens lohnt sich Ihr Besuch.

„STADT IST WANDEL. IMMER.“

Das Projekt “Soziale Stadt / Südliche Innenstadt” im Kontext der Stadtentwicklung

Ein Interview mit Holger Kreuzer (Stadtplanungsamt)

Herr Kreuzer, was ist seit dem Start des Projektes „Soziale Stadt / Südliche Innenstadt“ geschehen?

Das Projekt Soziale Stadt ist Ende der 1990er Jahre erstmals vom Bund und den Ländern aufgelegt worden und sollte einem deutlicher werdenden Problem Einhalt gebieten – dem `Abrutschen` einzelner Stadtquartiere. In vielen Städten hatten sich durch schleichende Funktionsverluste Stadtteile von der allgemeinen Entwicklung abgekoppelt…

EIN MÄRCHEN WIRD WAHR

Schulhofumgestaltung der Brüder-Grimm-Schule

2005 wurde das erste große Projekt des Förderprogramms Soziale Stadt / Südliche Innenstadt realisiert: Der marode Schulhof der Grundschule wurde überarbeitet. Bevor die Arbeiten stattfanden, lud der Schulhof weder zum Aufenthalt noch zum Spielen ein.

Entstanden sind in enger Abstimmung mit den künftigen Nutzern verschiedene Spiel- oder Rückzugsbereiche, wobei auch die Zone hinter der Sporthalle in die Gesamtkonzeption eingebunden werden konnte. Schüler, Elternbeirat, Kollegium und Schulleitung waren durch den beauftragten Landschaftsarchitekten Dirk Schelhorn aus Frankfurt stets in die Planungen eingebunden und auch bei der praktischen Umsetzung beteiligt.

Zentrum des neuen Schulhofes ist das Grüne Klassenzimmer, in dem bei Bedarf auch Unterricht stattfinden kann.

Im November 2005 war es dann so weit: der neue Schulhof konnte der Öffentlichkeit präsentiert werden.

EIN LECKERES ERLEBNIS

Die Quartiersküche

Essen verbindet Menschen. Dieser Meinung sind auch die Initiator:innen der „Quartiersküche“, einer Kooperation zwischen der Brüder-Grimm-Schule und dem Stadtteilladen Südlicht. Bereits 2009 wurde die Idee dazu in das Bund-Länder-Programm Soziale Stadt aufgenommen. Grundgedanken des Konzeptes sind die Beschäftigung mit gesunder Ernährung für Jung und Alt und die Beteiligung der Quartiersbewohner:innen in ihrem Sozialraum durch gemeinsame Kochaktionen. 2016 ist es dann endlich so weit: die Quartiersküche wird in den Räumlichkeiten der ehemaligen Schulküche der BGS eröffnet. Ein neu geschaffener Eingang ermöglicht auch außerhalb der Schulzeiten den Besuch durch Interessierte, Vereine und Gruppen. Somit ist sie neben der schulischen Nutzung auch zum beliebtem Anlaufpunkt für viele Menschen im Quartier geworden und stärkt damit das lokale Netzwerk. Regelmäßig finden außerdem Aktionen für Familien statt, einmal in der Woche nutzt die Internationale Frauengruppe die Küche gemeinsam.

Nutzungsanfragen nimmt der Stadtteilladen Südlicht gern entgegen.

“WIR FÜR UNSER QUARTIER”

Stadtteilladen Südlicht und Südlichter e.V.

Zurück im Jahr 2000: Der südliche Teil der Innenstadt ist geprägt von sanierungsbedürftigen Gebäuden aus der Nachkriegszeit und abgenutzten Straßen. Die wenigen verbliebenen Einzelhandels- und Gewerbebetriebe haben einen schweren Stand. Es gibt keine kulturellen Einrichtungen und keine Grünflächen oder Plätze, die zum Aufenthalt einladen. Die seit den 1960er Jahren schleichend eingetretenen Funktionsverluste der südlichen Innenstadt und der damit einhergehende Imageverlust führen immer stärker zur sozialen Ausgrenzung der dort lebenden Menschen. Es muss sich etwas ändern.

Logo Stadtteilladen Südlicht
Logo Südlichter e.V.

VON DER KNETE ZUM „POCKETPLATZ“

Der Platz an der Gärtnerstraße

Die Anwohner:innen der südlichen Innenstadt hat zum Start des Förderprogramms Soziale Stadt vor allem eines verbunden: Der Wille, gemeinsam anzupacken und etwas zu verändern.

Zu den Maßnahmen, die zu der Aufwertung der südlichen Innenstadt beitragen sollten, zählten unter anderem die Entwicklung und Umsetzung sogenannter “Pocketplätze”, also qualitätsvoller kleiner Plätze im öffentlichen Raum. Gemeinsam mit dem Diplom-Designer und Freiraumplaner Michael Tresser, Gründer der Gruppe Pädong – Projekte im öffentlichen Raum, wurde die Neugestaltung des Quartiersplatzes Gärtnerstraße geplant und umgesetzt. Bei diesen Treffen ging es zunächst um die Geschichte der Gärtnerstraße. Auch ihr Name hat einen historischen Hintergrund; befand sich dort früher doch eine Ansammlung von Kleingärten. Da es bei dem Förderprogramm Soziale Stadt auch darum geht, mehr Grünflächen in diesem Quartier zu schaffen, einigte man sich darauf, diesen geschichtlichen Aspekt miteinzubeziehen...

In der Planungsphase wurden mit Hilfe von Knetmasse verschiedene Modelle von Skulpturen und Objekten entworfen. Man diskutierte diese Entwürfe und einigte sich schließlich auf Tressers Idee einer fantasievollen Sitzlandschaft. Viele Anwohner:innen beteiligten sich nicht nur in der Planungsphase, sondern packten auch in der Umsetzung tatkräftig mit an. So halfen sie beim Auffüllen des Drahtgeflechtes, beim Betonieren und bei der Anordnung der Mosaike. Die Pflanzen und Tiere der Betonskulpturen spiegeln die Geschichte der Gärtnerstraße wider und erinnern an die Gärten von einst. Eine Betonskulptur mit Metall-Innenkorpus, der farbenfrohe „Riesenwurm“ konnte bereits 2007 fertiggestellt werden, die Mosaik-Sitzlandschaft 2009. Durch die frühe Einbindung der Menschen des Quartiers in die Gestaltung ihres Platzes, herrscht bei ihnen bis heute eine – auch emotional – starke Identifikation mit diesem Bereich ihres Stadtteils. Bei einer jährlichen gemeinsamen Reinigungsaktion wird nicht nur für Sauberkeit am Platz gesorgt; auch der „Riesenwurm“ erhält natürlich eine gründliche Zahnreinigung.

Kurz nach Fertigstellung des „Pocketplatzes Gärtnerstraße“ wurde die Gründung des gemeinnützigen Vereins Südlichter e.V. beschlossen, um das bürgerschaftliche Engagement in der Südstadt weiter zu stärken. Hierdurch konnte 2012 neben vielen weiteren Projekten der Bücherschrank Gärtnerstraße aufgestellt werden, der bis heute gern genutzt und dank verschiedener Partnerschaften gepflegt wird.

DAS WAHRZEICHEN ERSCHEINT IN NEUEM GLANZ

Der Platz an der Wallonisch-Niederländischen Kirche

Der Platz erstrahlt in sattem Grün. Große Rasenflächen laden zum Picknicken ein. Neu gepflanzte Bäume werden in ein paar Jahren lauschige Schattenplätze schaffen. Eine fast 50 Jahre alte Linde ist einmal quer über den Platz umgezogen. Das gemeinsam mit den Hanauer Bürgern festgelegte Gesamtkonzept ist voll aufgegangen. Der Platz ist nun viel übersichtlicher und lädt auch abends zum Spazierengehen ein. Mit viel Liebe zum Detail und Weitblick wurden die Gestaltung und die Pflanzen für den Platz ausgewählt. Denn auch in der nahen und fernen Zukunft sollen die Bewohner und Besucher des Viertels eine kleine Oase mitten in ihrer Stadt vorfinden.